Kennen Sie das? Irgendwann kommt der Zeitpunkt da muss man mal wieder richtig aufräumen. Es juckt einen in den Fingern, auszusortieren und wegzuwerfen. Diesem Impuls sollte man immer nachgeben.
Meine Erfahrung zeigt nämlich, dass sich das Aufräumen schlecht erzwingen lässt. Damit meine ich jetzt nicht das normale Aufräumen eines Zimmers, sondern so richtiges Aufräumen, mit Ausräumen und Wegwerfen. Haben Sie sich das schon mal vorgenommen und dann das erste Teil in die Hand genommen. „Nein, davon kann ich mich nicht trennen, da hängt diese Erinnerung dran“. Beim nächsten Teil: „Das hebe ich noch auf, ich könnte es ja noch brauchen.“ usw. Spätestens nach dem dritten Teil sollten Sie es aufgeben. Es ist nämlich frustrierend, wenn man es zum falschen Zeitpunkt versucht.
Wir dürfen nicht auf die innere Einstellung zum Aufräumen vergessen. Wenn ich innerlich nicht bereit bin, mich von etwas zu trennen bzw. loszulassen, dann werde ich es auch im Außen nicht schaffen. Der Zusammenhang ist eklatant. Ich werde wieder von ein paar Beispielen berichten, die ich in den letzten Jahren bei Klienten beobachten durfte.
Da war zum Beispiel eine Frau Katrin. Sie war alleinerziehende Mutter und sehnte sich bereits Jahre nach einem neuen Partner. Es klappte jedoch nie, dass es nach dem ersten näheren Kennenlernen zu einer festen Beziehung kam. Katrin lebte in einer Wohnung mit Küche, Wohn-/Esszimmer, Bad, WC, einem kleinen Raum und einem etwas größerem Raum. Der Sohn war 5 Jahre alt. Sie nutzte das kleinere Zimmer als Spielzimmer und Abstellraum, wo alles überquoll. Den größeren Raum verwendete sie als Schlafzimmer. In den Schränken befand sich Kleidung für Katrin und ihren Sohn. Der Bub schlief bei ihr im Bett.
Wo bitte soll hier ein Partner Platz haben? Erst nachdem ihr das klar wurde, verstärkte sie nochmal den Wunsch nach einem neuen Mann in ihrem Leben. Dies gab ihr die Kraft, das Aufräumen des kleineren Raumes voranzutreiben. Sie besorgte Kinderzimmermöbel. Danach räumte Katrin die Kinderkleidung vom Schlafzimmer ins Kinderzimmer und siedelte den Sohn um. Als sie Kleidung von sich selbst aus dem kleinen Raum ins Schlafzimmer räumen wollte, stoppte ich sie.
Diese Kleidung gehörte noch aussortiert. Ein Teil war zum Weggeben, da diese Kleidungsstücke um zwei Nummern zu klein waren. Den anderen Teil räumte sie in den Keller, sodass letztlich ein gutes Stück vom zweiten Schrank leer blieb. Katrin fühlte sich befreit. Von Altlasten, von der Schwere der Verantwortung. Man könnte sagen, sie fühlte sich beschwingt. All das führte letztlich dazu, dass sie nach ein paar Monaten einen Mann kennenlernte. Dieser zog dann auch vorübergehend bei ihr ein, bevor sie sich nach einer gemeinsamen Immobilie umsahen. Tja, was das Aufräumen alles bewirken kann … 😉
Ein anderes Beispiel ist Claudia. Sie hatte in ihrem Erwachsenenleben immer Übergewicht und litt seelisch schrecklich darunter. Alle Diätversuche scheiterten. Im Gegenteil, durch die Jojo-Effekte nahm sie weiter an Gewicht zu. Der Frust war hoch. Sie verlor die Lust an Freunden, Partnerschaft und fiel in eine Depression, die ihr jegliches Aufräumen unmöglich machte. Sie lud niemand mehr zu sich ein, da sie wie ein Messie hauste. Es war ein Teufelskreis, aus dem sie nicht ausbrechen konnte.
In einer mehrmonatigen stationären Therapie gegen ihre Depression wurde ihr u.a. empfohlen, sich einen Coach zum Aufräumen zu bestellen. Dieser Coach kam zu ihr in die Wohnung und half ihr beim Aufräumen. Gemeinsam ging es leichter und bald war wieder Platz geschaffen. Claudia konnte es gar nicht fassen. Sie ging wieder mehr spazieren und achtete sehr darauf, das regelmäßige Aufräumen nicht zu vernachlässigen. Sie hatte noch zwei Rückfälle. Doch sie wusste, was zu tun war und rief den Coach zum Aufräumen an. Letztlich verlor sie an Gewicht, weil sie auch im Kühlschrank für Ordnung und Übersichtlichkeit sorgte. Auch ihre Depression ging zurück und sie wirkte fröhlicher und entspannter.
Was passiert da? Wieso hat das Außen so einen großen Einfluss auf das Innen und umgekehrt? Stellen wir uns Folgendes vor: Der Mensch, wie ein Strichmännchen, in einem 20 cm großen Schraubglas. Es gibt zwischen dem Menschen und dem Glasrand jeweils 5 cm Luft rundherum. Das Strichmännchen kann sich bewegen, strecken, am Stand laufen etc.
Nun legen wir vom Glasrand Richtung Glasmitte immer wieder eine Kleberschicht. Eine auf die andere. (Der Kleber steht für den ganzen Krempel, den wir in unserem Leben anhäufen) Die Bewegungsfreiheit des Strichmännchens wird immer mehr eingeschränkt. Dann geht der Kleber auch in den Zwischenraum zwischen Arme und Körper usw. Das Strichmännchen steckt irgendwann fest und „kriegt keine Luft mehr“. Schlimm, oder? Und genau das passiert mit uns Menschen, wenn wir immer noch mehr anhäufen, das wir gar nicht brauchen.
Wenn wir regelmäßig (zumindest 1x im Jahr) ordentlich aufräumen, damit meine ich Ausräumen, Ausmisten und Wegwerfen, dann entfernen wir wieder Kleberschichten in unserem Glas und wir können uns wieder freier bewegen.
Meine Beispiele bezogen sich jetzt nur auf materielle, feststoffliche Dinge, aber dies gilt natürlich auch für Feinstoffliches. Beispielsweise, dass man seine Trauer loslässt, nachdem eine nahestehende Person schon vor einem Jahr verstorben ist. Oder dass man den Expartner, der einen verlassen hat, loslässt und ihm insgeheim alles Gute für die Zukunft wünscht. Dass man Verantwortung abgibt oder teilt, die man bisher krampfhaft allein tragen wollte usw.
Wenn Sie merken, dass Sie sich eingeengt fühlen oder feststecken, dann überlegen Sie mal,
- wo Sie horten (Dinge, zwischenmenschliche Beziehungen)
- wo Sie Verantwortung abgeben können
- wo Sie loslassen können
und machen Sie sich eine Liste. Allein das darüber Nachdenken und Erkenntnisse zu haben ist bereits ein erster, guter Schritt in die richtige Richtung.
Wenn Sie damit allein Probleme haben, fragen Sie doch einen guten Freund oder eine enge Freundin, Ihnen zu helfen. Oder Sie können auch mich kontaktieren und wir nehmen das gemeinsam in Angriff.
Es ist in Wirklichkeit ganz leicht, wenn man den Dreh erkannt hat. Das Aufräumen im Außen bewirkt ganz viel im Innen und umgekehrt. Also los, auf zum großen Aufräumen!