Nehmen wir eine Organisation, die nicht projektorientiert denkt, weil sie das für ihren Geschäftszweck nicht benötigt. Und plötzlich kommt eine neue Gelegenheit auf sie zu. Ein Projekt soll dazu aufgesetzt werden. Projektmanagement ist gefragt. Niemand hat damit Erfahrung. Was tun?
Ganz kurzfristig kam eine Anfrage von einer Organisation, die sich grundsätzlich um Inklusions-Fragen kümmert. Diese Organisation betreut Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Tageszentren wie auch mobil. Der Hauptteil der Mitarbeiter ist sozial engagiert und hat Ausbildungen im Pflege- oder Sozialbereich vorzuweisen.
Nun ergibt sich die Chance mit einem Partner zusammen ein komplett neues Konzept zu erarbeiten, bevor es in eine Machbarkeitsstudie und vielleicht später in die Umsetzung geht. Dieser Partner kommt aus der Wirtschaft und will zu einem festgelegten Zeitpunkt ein fertiges Konzept mit Zahlen, Daten, Fakten haben. Für die Mitarbeiter der genannten Organisation ein schwieriges Unterfangen.
Kurzfristig wurde ein Ganztages-Workshop einberufen und ich – als Moderatorin und zertifizierte Senior Projektmanagerin – hinzugezogen. Im Vorfeld war es bereits schwierig, herauszuhören, worum es diesen Menschen nun wirklich in dem Workshop ging. Sehr verwirrend und widersprüchlich waren die Aussagen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie jemanden brauchten, der Struktur in ihren Workshop bringt.
Nach einigen klärenden Gesprächen mit verschiedenen Vertretern dieser Organisation stellte sich heraus, dass dieser Workshop drei Aspekte abdecken sollte:
1. Einen inhaltlichen Abgleich zwischen den Teilnehmern herstellen.
2. Das Projektteam für das Konzept zu formen.
3. Das Projektmanagement für die Ausarbeitung des Konzepts aufzusetzen.
Das war für einen Workshoptag eine ganze Menge an Zielen. Durch Brainstorming zu den einzelnen inhaltlichen Hauptpunkten konnte ein gemeinsames Verständnis für die fachlichen Inhalte des Konzepts geschaffen werden. Es wurden Arbeitspakete geschnürt und ein Gesamtprojektleiter sowie Arbeitspaketleiter festgelegt.
Wie bringt man nun zehn Personen, die noch nie in ihrem Leben mit so etwas wie Projektmanagement zu tun hatten, das Thema Projektmanagement näher? Und das in dieser kurzen Zeit? Wichtig ist dabei aus meiner Sicht immer, dass man sich zu Beginn genau überlegt, wieviel Projektmanagement für das Vorhaben notwendig ist. Man muss ja nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“.
In dem vorliegenden Fall hatte ich Beispiele für die benötigten Projektmanagement-Elemente dabei, die aufzeigen sollten, worauf es bei jedem einzelnen ankommt. So entstanden in Kleingruppen:
- eine Projektumfeldanalyse:
immerhin sollte man sich schon Gedanken machen, wer Interesse oder Widerstand an dem späteren Projekt hat, um entsprechende Maßnahmen zur Gewinnung der potenziellen Projektgegner zu berücksichtigen - ein Kommunikationsplan:
dieser legt fest, wer wann mit wem worüber spricht und welche regelmäßigen Meetings es geben wird (inkl. Teilnehmer, Zweck, Häufigkeit, Dauer) - eine Risiko- und Chancenliste:
Welche Risiken habe ich im Projekt der Konzepterstellung und wie hoch sind sie zu bewerten? Welche Maßnahmen kann ich im Vorfeld oder bei Eintritt des Risikos ergreifen? Die Chancen sollte man sich auch bewusst machen, um möglicherweise Kapital daraus zu schlagen. - ein Meilensteinplan:
In diesem wurden grobe Meilensteine vereinbart, die den einzelnen Arbeitspaketleitern und dem Projektleiter eine zeitliche Strukturierung vorgeben.
Während des Workshops wurden immer wieder Aufgaben genannt, die auf eine To-Do-Liste geschrieben wurden. Diese wurde gegen Ende noch ergänzt, sodass jeder wusste, wer was bis wann zu erledigen hat. Eine solche Liste gehört wie auch die Chancen- und Risikenliste im Projekt ständig aktualisiert.
Am Ende des Workshops fühlten sich die Teilnehmer ermutigt, das Projekt in Angriff zu nehmen und auch das Schreckensgespenst Projektmanagement hatte seinen Schrecken verloren. Voll motiviert gingen sie auseinander.
So einfach ist es initial und kurzfristig mit Projektmanagement im Unternehmen zu starten. Freilich ist es damit allein nicht getan. Die Teilnehmer hatten weiterhin Begleitung und Coaching im Projektmanagement. Aber durch die Anwendung und ständige Kursabklärung mit dem Coach wurden sie bald sicherer in dem, was sie taten.
Selbstverständlich braucht ein großes, komplexes Projekt ein fundierteres und umfangreicheres Projektmanagement, keine Frage. Dies meinte ich damit, als ich sagte, dass das Projektmanagement an das Projekt angepasst werden muss. Als Leiterin eines Project Management Office beschäftige ich mich seit über 10 Jahren mit dem Thema Weiterbildung der Mitarbeiter und der Organisation im Bereich Projektmanagement.
Bei komplexen Projekten ist ein gut ausgebildeter und erfahrener Projektleiter nötig, um Erfolg zu haben. Aber viele der Projekte, die einem im Berufsleben begegnen, sind nicht so schwierig und komplex, dass man sie nicht mit ein wenig Unterstützung auch selber gut meistern könnte. Ein Coach mit Erfahrung schaut auf das Projekt mit der Projektmanagement-Brille drauf und stellt ein paar wesentliche Fragen. Dabei erkennt der betroffene Projektleiter sofort selbst, wo er noch Verbesserungsbedarf hat bzw. was er gut macht.
Ein Check des eigenen Projektmanagements zahlt sich immer aus. Häufige Rückmeldungen dazu sind etwa: „Da musste ich mal aus meinem Projekt im Detail raustreten und darüber mit etwas Abstand berichten. Das hat richtig gutgetan.“ „Während der Beschreibung meines Projekts sind mir selbst so viele Dinge aufgefallen, die ich nicht mache, aber machen sollte.“ „Die eine Frage hatte mich kalt erwischt und ich kann mir heute noch nicht erklären, warum ich nicht früher daran gedacht hatte.“